Als wir unsere Rucksäcke im Innenhof der neuen Unterkunft abstellen überkommt uns ein Gefühl von Vertrautheit – die Natur die uns umgibt ist der nordeuropäischen ähnlicher, als wir es seit langem auf unserer Reise gesehen haben. Vor uns liegt eine Wiese mit Kirsch- und Apfelbäumen, am Wegesrand wachsen Butterblumen, Klee und Sauerampfer und es riecht nach Wildrosen. Auch die Temperaturen im indischen Bundesstaat Himachal Pradesh sind mit um die 20 Grad Vertrauter für unsere Körper als die dauerhafte Hitze im Westen des Landes. Hier in Old Manali, einem kleinen Bergdorf in den Ausläufern des Himalayas, erholen wir uns eine Weile von den trubeligen, heißen Städten Rajasthans, gehen in den grünen Wäldern wandern und genießen die leckeren israelischen Speisen. Denn gut 2/3 der ausländischen Tourist:innen in Old Manali sind Israelis, es gibt sogar ein Chabad-Haus, ein jüdisches Gemeindehaus im Dorf, um das sich viele Cafés und Lokale angesiedelt haben.
Viele Tourist:innen aus dem Ausland, aber auch aus Indien zieht die beeindruckende Natur nach Himachal Pradesh, andere das spezielle Interesse an der hier heimischen Cannabis-Pflanze, die der Legende nach von Shiva im Himalaya entdeckt und den Menschen geschenkt worden ist. Besonders Dharamkot scheint darüber hinaus ein Pilgerort für Yogabegeisterte und Sinnsuchende aus der westlichen Welt geworden zu sein. Hier gibt es an jeder Ecke Yogaretreat- Massage- und Klangtherapie-Angebote.
Ein paar Kilometer den Berg hinunter liegt der Tempel des Dalai-Lama, hier in Dharamsala hat er seit den 1960er Jahren Zuflucht gefunden. Mönche und Nonnen in den traditionellen rot-gelben Roben rezitieren Mantren, ein Mönch schlägt rhythmisch auf einen Gong. Es mag für uns nicht die wohlklingendste religiöse Zeremonie gewesen sein, die Stimmung ist dennoch besonders. Auch die phantastischen tibetisch-buddhistischen Wandmalereien in ihren starken Farben faszinieren uns.
Nach einer Woche in Himachal Pradesh erwischt uns der Monsun. Durch die großen Wassermengen sind viele der Straßen durch Erdrutsche beschädigt, für einige Tage kommt kein Wasser mehr aus den Leitungen und auch Strom und Internet gibt es nicht mehr.
Schließlich schaffen wir es trotzdem nach Rishikesh weiterzureisen. Es ist eine der heiligen Städte am Ganges, Welthauptstadt des Yoga, die Stadt in welche die Beatles 1968 zu Maharishi Mahesh Yogi reisten, um sich in transzendentaler Meditation zu schulen. An den Flussufern sitzen Sadhus, heilige Bettelmönche in ihrer orangenen Kleidung, welche sich von jeglichen materiellen Gütern entsagt haben und durchs Land ziehen. Am Abend nehmen wir an der Ganga Aarti teil, einem Ritual zu Ehren der Göttin Ganga, bei dem zunächst gemeinsam Bhajans (religiöse Lieder) gesungen und anschließend dem Ganges Feueropfer und Blütenschiffchen übergeben werden.
Unsere nächste Station ist Agra, weltbekannt durch den Taj Mahal, welcher der Großmogul Shah Jahan zum Gedenken an seine verstorbene Frau Mumtaz Mahal erbauen ließ.
In Varanasi haben wir das erste Mal das Gefühl, den Trubel zu genießen, als wir uns durch überfüllte Gassen drängen. Es ist gerade der heilige Monat Shravan, weshalb viele Anhänger:innen Shivas nach Varanasi pilgern, um im Shiva Tempel zu beten und Wasser aus dem heiligen Ganges in ihre Heimatorte zu bringen.
Doch nicht nur aus diesem Grund zieht es gläubige Hindus nach Varanasi, auch heißt es, wer in Varanasi stirbt und dem Ganges übergeben wird kann aus dem Kreis der Wiedergeburt entkommen und ins „Moksha“ gelangen. Am Flussufer des Ganges, am Manikarnika Ghat ist der Tod allgegenwärtig. Auf Bambusliegen werden in bunte Stoffe gehüllte Verstorbene durch die engen Gassen getragen, vorbei an Chai-Verkäufern, Obst-Ständen und Souvenirläden.
Der Schweiß tropft den Männern von der Stirn, welche die schweren Scheite zu Holzstapel aufschichten, auf denen die Verstorbenen im Beisein der Angehörigen verbrannt und ihre Asche anschließend dem Ganges übergeben wird.
Es ist ein ungewohnter Umgang für uns, aber es hat auch etwas schönes, dass der Abschied von einem Menschen so inmitten des bunten, wuseligen Lebens stattfindet.

























