Indien riecht nach frischen Rosen, Curry, Räucherstäbchen, Kuhdung und Gerüchen an denen die Nase weitaus weniger gefallen hat.
Überhaupt ist Indien ein Ansturm auf alle Sinne. Tuk Tuks, Kamelkarren und Mopeds rattern durch die Straßen, es herrscht ein endloses Hupkonzert. Am Straßenrand liegen Müllberge, Händler verkaufen Gemüse und Früchte auf kleinen Wagen, daneben haben sich Menschen aus Planen und Tüchern Unterkünfte gebaut und inmitten des Verkehrschaos stehen Kühe und kauen unbeeindruckt auf Pappe herum.
Schönheit und Leid liegen hier keinen Wimpernschlag voneinander entfernt, das wird uns schon in den ersten Tagen in Indien bewusst.
Unser erster Halt ist Amritsar, kaum 30 km von der Grenze zu Pakistan entfernt und spirituelles Zentrum des Sikhismus. Überall laufen Männer mit farbenfrohen Turbanen, silbernen Armreifen und verzierten kleinen Säbeln am Gürtel herum. Wir machen uns um drei Uhr morgens auf den Weg durch die dunklen Gassen um an der Morgenzeremonie im Heiligtum der Sikhs, dem goldenen Tempel, teilzunehmen. Auch am frühen morgen ist es hier rappelvoll, Menschen strömen von überall her um dabei zu sein, wenn die Heilige Schrift auf einer blumengeschmückten Sänfte in den goldenen Tempel getragen wird.
Es herrscht eine friedliche und zugleich sehr lebendige Stimmung als wir am Rand des Wasserbeckens sitzen, das den Tempel umgibt und den Sonnenaufgang beobachten.
Indiens lebendige Religiosität ist auch inmitten des bunten Straßentreibens spürbar, auf Verkehrsinseln sind geschmückte Schreine mit kleinen Marmorstatuen der Hindu-Gottheiten zu finden und beim Plausch am Straßenrand wird uns von spirituellen Ansichten und Traditionen erzählt. Auch hier kann man morgens den Adhan hören, trotz der Teilung von 1947 in das mehrheitlich hinduistische Indien und das überwiegend muslimische Pakistan. Indien ist ganz augenscheinlich bunt.
Kräftigen Farben wird hier eine positive Energie zugesprochen, Frauen mit silbergrauen Haaren tragen bis ins hohe Alter die traditionellen farbenfrohen Saris.
In Jodhpur, der zweiten Stadt in der wir Halt machen, sind die Häuser zu Ehren des Gottes Shiva in hellblauer Farbe gestrichen. Kurz vor der Regenzeit ist es hier brütend heiß und die Wasservorräte scheinen sich dem Ende zu neigen. Immer wieder kommt kein Wasser aus der Leitung und falls doch mal etwas kommt, ist es nur ein mäßig sauber riechendes Rinnsal, unter dem man sich abduschen kann. Welch ein Privileg es ist, 24 Stunden am Tag Zugang zu sauberem Wasser zu haben, wird uns hier noch einmal auf eindrückliche Weise klar. Plastikflaschen stapeln sich neben unserem Bett, denn trinken mögen wir dieses Wasser auch mit unserem Wasserfilter nur ungern. Doch macht einem diese Müllproduktion hier erheblich Bauchschmerzen, da sobald man auf die Straße geht klar wird, wo der Müll am Ende landet. Nicht dass wir hier so viel mehr Müll produzieren würden als wenn wir in Deutschland sind, doch kann man hier die Augen nicht davor verschließen wie viel von all dem in der Natur und in irgendeinem Tier-Magen landet. In Deutschland sortieren wir unseren Müll fein säuberlich in die unterschiedlichen Tonnen, was definitiv sinnvoller ist, als ihn direkt in die Natur zu werfen, doch wie sicher können wir sein, dass ein erheblicher Teil dessen nicht am Ende wieder an genau dem selben Ort landet, wenn wir unseren Müll in andere Länder „ausgliedern“? Von dem weltweit produzierten Plastikmüll endet ein Drittel in der Natur und in den Meeren.
Doch trotz dieses traurigen Zustandes haben wir hier auch Gespräche, die Hoffnung machen. Wir hören von Gemeinden, die aus Plastikmüll Baustoffe produzieren und Communities, die einen nachhaltigen Lebensstil pflegen, z.B. indem sie stark auf Müllvermeidung setzen und damit als Leuchtturmprojekte neue Wege aufzeigen können. Außerdem sind wir auch von dem Gemeinschaftsgefühl berührt, welches wir hier erleben. Wer in Indien in der Holzklasse mit dem Zug fährt merkt, dass es keine fünf Minuten braucht bis alle rege im Gespräch miteinander sind.
Man ist sich nicht nur physisch sehr nah – immer wieder Baumeln einem Füße aus der oberliegenden Pritsche vor dem Gesicht – man erzählt sich auch schnell Privates.
Von Einsamkeit sind hier, im Gegensatz zu anderen Gesellschaften, wohl nur wenige Betroffen. Da wird auch mal im Tuk Tuk geschlafen, weil es zuhause auch nicht ruhiger zugeht als inmitten des Trubels. Privatsphäre ist hier ein seltenes Gut, wohnen viele Familien doch auf kleinstem Raum zusammen.
Eindrucksvoll, welche Ruhe einige Menschen trotz all dessen ausstrahlen. Es ist eben wirklich so, dass das in einem anklingt, worin man sich spiegelt.
Hier ist alles zu finden.



















